Durchwachsene Bilanz: 5 Jahre Informationsfreiheitsgesetz

Dieser Beitrag gehört zum Dossier Urteile, Bundestags- und Ministeriumsdokumente.
Erstellt von Thomas Hartmann am 19.02.2011 - 14:14

Am 1. Januar 2011 war das Informationsfreiheitsgesetz fünf Jahre in Kraft. Der Bundesbauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, sieht einigen Spielraum für eine Optimierung des Informationszugangsrechts und den Gesetzgeber insoweit am Zug; vor allem viele der Verweigerungsgründe seien nicht akzeptabel.

In den ersten fünf Jahren wurde nach Angaben Schaars in über 6400 Fällen ein Antrag auf Einsicht bei Bundesbehörden gestellt. Obwohl die Bürger dafür keine Begründung liefern müssen und die angefragte Behörde gesetzlich binnen eines Monats reagieren sollte, blockten die Ministerien und Behörden die Akteneinsicht teilweise oder ganz in mehr als der Hälfte der Fälle ab (so das Handelsblatt am 08.02.2011). Rund 750 Bürgerinnen und Bürger haben sich in diesem Zeitraum mit Beschwerden an den Ombudsmann Peter Schaar gewendet. So konstatiert Schaar:

"Der freie Informationszugang hat zwar den Weg in das Bundesgesetzblatt gefunden. In den Köpfen und Herzen der Entscheidungsträger ist er aber noch nicht überall angekommen. Immer noch zu oft wird über vom Gesetz nicht vorgegebene Einengungen des Anwendungsbereiches, Bereichsausnahmen und Ausnahmetatbestände nachgedacht und der Informationszugang verweigert. Der Paradigmenwechsel weg vom geheimnistuerischen staatlichen Herrschaftswissen und hin zum grundsätzlich unbeschränkten Informationszugang ist rein rechtlich mit dem IFG vollzogen, er hat sich aber im Amts- und Selbstverständnis der Verwaltung noch nicht richtig durchgesetzt."

Schaar begrüßt in Hinblick auf die Informationspraxis in den Bundesministerien ein kürzlich ergangenes Urteil des OVG Berlin-Brandenburg (siehe IUWIS-Dossierbeitrag hier):

"Auch die Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben unterliegt grundsätzlich dem IFG. Sie ist –wie das OVG Berlin-Brandenburg vor kurzem ebenso nachdrücklich wie überzeugend festgestellt hat- dem Anspruch auf Informationszugang nicht von vornherein entzogen. Ich danke dem OVG Berlin für diese sehr sorgfältig begründete Grundsatzentscheidung. Ich würde mich freuen, wenn diese Entscheidung im Laufe dieses Jahres auch vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt und von den Ressorts mitgetragen wird."

Eine lebendige Demokratie mit aktiver Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger setze einen umfassenden Zugang zu staatlicher Information voraus, so Schaar weiter. In Zeiten von Enthüllungsplattformen wie Wikileaks (dazu auch Beitrag "Wikileaks hinterfragt Geheimdiplomatie" in diesem Dossier) sollte sich der Staat selbst um mehr Transparenz bemühen. 

"Wir brauchen schließlich eine stärkere proaktive Informationspolitik der Bundes- und Landesbehörden. Damit bin ich beim Stichwort Open data. Ohne Transparenz lässt sich Akzeptanz staatlicher Entscheidungen nur schwer erreichen. Was nicht kommuniziert ist, wird öffentlich nicht akzeptiert. Regierung und Verwaltung sollten aber daran interessiert sein, Misstrauen gegen ihre Arbeit abzubauen und die Menschen mitzunehmen und einzubinden. Hierfür eröffnet das Internet sehr gute, aber noch viel zu wenig genutzte Möglichkeiten, Informationen übersichtlich, leicht auffindbar über eine einheitliche Plattform zur Verfügung zu stellen."

Das Bundesinnenministerium hat folgende statische Angaben zu fünf Jahren Informationsfreiheitsgesetz veröffentlicht:

  • 8000 Anfragen auf Informationsauskunft
  • davon 1566 Anträge auf Akteneinsicht an das Bundesgesundheitsministerium, 1342 an das Bundesfinanzministerium, 1258 an das Wirtschaftsministerium (Top 3); an das Bundeskanzleramt erfolgten lediglich 147 Informationsgesuche
  • aktuell 73 Klagen gegen verweigerte Einsichtnahmen (Verdoppelung )

 

(siehe auch Artikel "Behörden lassen sich nicht gern in die Akten sehen", Handelsblatt vom 08.02.2011, S. 19)

Internetadresse

Kommentare

Bundesregierung plant Open-Data-Plattform bis 2013

Darüber und über die bislang recht unterschiedlichen Veröffentlichungspraxis bzw. über bislang unterschiedliche Open-Standards auf Bundesebene berichtet heise online am 20.04.2012 in "Bundesregierung setzt auf Open Data".

Deutschland international mit schlechtestem Informationszugang

Eine Vergleichsstudie unter 89 Staaten bestätigt den Eindruck, dass in Deutschland noch zahlreiche Ausnahmeregelungen die Informationszugangrechte der Bürgerinnen und Bürger nach dem Informationsfreiheitsgesetz behindern. Deutschland belegt in dem internationalen Ranking den fünftletzten Platz. Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, fordert mehr Transparenz, um das Vertrauen der Bürger in die Arbeit nationaler und internationaler Einrichtungen zu stärken und Korruption aufzudecken.

Zum Artikel "Studie: Deutschland und Österreich weit hinten bei der Informationsfreiheit" von Stefan Krempl, mit weiterführenden Hinweisen erschienen bei heise online am 07.10.2011.

Informationszugang bei EU: Jetzt Jahresbericht 2010 erschienen

Seit zehn Jahren besteht die EU-Verordnung 1049/2001, welche jedem EU-Bürger Rechte auf Akteneinsicht gegenüber dem Europäischen Parlament, dem Rat sowie der Kommission einräumt. Zur Geltendmachung dieser Informationsrechte und deren Handhabung behördlicherseits veröffentlichte die Europäische Kommission am 12.08.2011 den Jahresbericht für 2010 (KOM(2011) 492 endgültig, hier als pdf-Dokument), wie heise online im Beitrag "Interesse an EU-Akten wächst" vom 15.08.2011 berichtet.

Übersicht der abrufbaren Jahresberichte der Kommission hier.