Mehr Transparenz auch in 3.Korb-Vorbereitungen durch Berufungsurteil zum Informationsfreiheitsgesetz?

Dieser Beitrag gehört zum Dossier Urteile, Bundestags- und Ministeriumsdokumente.
Erstellt von Thomas Hartmann am 07.02.2011 - 13:26

Mit einem jetzt veröffentlichten Urteil (OVG Berlin vom 05.10.2010, Az. 12 B 5.08) stärkt das Oberverwaltungsgericht Berlin den Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen von Bundesbehörden nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Dank des IFG haben die Bundesbehörden auf Antrag hin „unverzüglich“ Transparenz herzustellen durch Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder „auf sonstige Weise“. Das IFG besteht erst seit 2006, es erging daher bislang nur sehr vereinzelt Rechtsprechung. 

Vor allem die Ministeriumsapparate zeigten sich bisher eher verschlossen und verweigerten die Auskünfte. In dem konkreten Fall wollte ein ehemaliger Rechtsanwalt Einsicht in die Vorbereitungsakten des Bundesjustizministeriums (BMJ) für das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nehmen.Zur Begründung führte das BMJ vor allem an, dass - in Unterschied zu anderer vom IFG erfassten schlichten Behördentätigkeit - die Willensbildung der Regierung ("exkutive Eigenverantwortung") durch ein besonderes Geheimhaltungsbedürfnis geschützt sei. Ähnlich argumentiert wurde auch für nicht-öffentliche Vorgänge des Parlaments sowie für die Unterlagen einer Kommission aus Experten, welchen Vertraulichkeit versprochen worden sei.  Im Übrigen sieht das BMJ die Prüfung mehrerer hundert Aktenseiten als zu aufwändig.

Diese Haltung wurde zunächst durch das Verwaltungsgericht Berlin weithin bestätigt, jetzt aber in der Berufungsinstanz gekippt. Die Berufungsrichter bejahen die Auskunftspflicht für die gesamte Exekutive und erinnern an die Ziele des IFG: 

  • Stärkung der demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger
  • Kontrolle der Verwaltung
  • Effektive Korruptionsbekämpfung

Das BMJ hat im Januar Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt, so dass mit einem Grundsatzurteil zum IFG zu rechnen ist.

In Zusammenhang mit den Vorbereitungen zur neuerlichen Urheberrechtsnovellierung ("3. Korb") hat das BMJ die in einem Anhörungsverfahren eingeholten Stellungnahmen nicht veröffentlicht. Eine Begründung dafür ist bislang nicht ersichtlich. Auf die Einsichtnahme könnte nach dem IFG ein Rechtsanspruch bestehen - zumindest den Ausführungen des OVG Berlin zufolge. 

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Kommentare

Auch VG Berlin stärkt Anspruch auf Informationszugang

Mit Urteil vom 01.12.2011 hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden (Az. VG 2 K 91.11), dass nach dem Informationsfreiheitsgesetz ein Anspruch auf Einsicht in Gutachten besteht, die der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages erstellt hat.

 

Zur Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin Nr. 46/2011 vom 01.12.2011.

Zu den Kurzhinweisen bei Thomas Stadler ("Internet-Law") und bei Telemedicus/Sebastian Telle.

Wichtige Grundsatzentscheidung der Bundesrichter

Mit zwei Grundsatzurteilen vom 03.11.2011 (Az. 7 C 3.11 und 4.11) stärkt das Bundesverwaltungsgericht die Informationsrechte der Bürgerinnen und Bürger und bestätigt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (siehe oben). Bisher hatten vor allem Ministerien als Exekutivorgane den Zugang zu Dokumenten mit der Begründung verweigert, dass für Regierungshandeln ein besonderes Schutz- und Vertraulichkeitsbedürfnis gerechtfertigt sei.

Nach Auffassung der Bundesrichter sind jedoch Unterlagen, welche die Regierungstätigkeit betreffen, nicht vom Informationszugang ausgeschlossen, denn die gesetzliche Anspruchsgrundlage der Bürgerinnen und Bürger, das Informationsfreiheitsgesetz, unterscheide nicht zwischen Regierungs- und Verwaltungshandeln. Eine Verweigerung der begehrten Informationsherausgabe sei überdies nicht vom Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes gedeckt. Die verklagte Bundesregierung (in den beiden Fällen betroffen: Bundesjustizminsterium) ist damit letztinstanzlich mit ihrer Rechtsauffassung unterlegen.

 

Pressemitteilung Nr. 92/2011 des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.11.2011

Erklärung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (Pressemitteilung Nr. 36/2011 vom 03.11.2011)

Schaar dankt dem OVG für Grundsatzentscheidung

In einer im Zusammenhang mit dem fünfjährigen Bestehen des Informationsfreiheitsgesetzes veröffentlichten Erklärung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, äußert sich dieser wie folgt:

"Auch die Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben unterliegt grundsätzlich dem IFG. Sie ist - wie das OVG Berlin-Brandenburg vor kurzem ebenso nachdrücklich wie überzeugend festgestellt hat - dem Anspruch auf Informationszugang nicht von vornherein entzogen. Ich danke dem OVG Berlin für diese sehr sorgfältig begründete Grundsatzentscheidung. Ich würde mich freuen, wenn diese Entscheidung im Laufe dieses Jahres auch vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt und von den Ressorts mitgetragen wird."

Mehr dazu in dem Beitrag "Durchwachsene Bilanz: 5 Jahre Informationsfreiheitsgesetz" in diesem Dossier.