IUWIS bietet Information und Diskussion zum Urheberrecht in Wissenschaft und Bildung sowohl für Produzenten wie für die Nutzer von Inhalten.
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Auch wenn die Diskussion um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage auf den ersten Blick nur mittelbar mit der Frage nach dem Urheberrecht in Wissenschaft und Bildung zu tun hat, lässt die Debatte durchaus Rückschlüsse auf Positionen und Entwicklungen zu, die auch in einer Diskussion um ein an digitale Bedingungen angepasstes Bildungs- bzw. Wissenschaftsurheberrecht hoch relevant sind. Dies nicht zuletzt, da im öffentlichen Diskurs die Themen erfahrungsgemäß schnell verknüpft, verwischt und verwoben werden. Man kann diese Diskussion also als ein typisches Beispiel für die Diskursführung zu dem kontroversen Themenkomplex eines Urheberrechts in Zeiten der digitalen Reproduzierbarkeit verstehen.
Entsprechend erwies sich die Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten und zum Leistungsschutzrecht für Zeitungsverlage im Internet mit dem etwas sehr zugespitzten Titel "Gottes Werk und Googles Beitrag" zweifellos als beobachtenswert. Und diese Beobachtung erfolgte zunächst einmal den Möglichkeiten des Web entsprechend live und zwar auf Twitter und zwar über den Twitter-Feed der Böll-Stiftung selbst, über iuwislive, Netzpolitik und noch einigen anderen.
Mittlerweile findet sich auch in vielen Kanälen eine nachbereitende Berichterstattung, die das unmittelbar Protokollierte bündeln und einzuordnen versuchen. Im Mittelpunkt der Blogs steht zumeist der Extrempol, den Christoph Keese, Head of Public Affairs des Axel-Springer-Verlages, vertritt und der sich klar für ein möglichst weitreichendes Leistungsschutzrecht für Verlage als Werkvermittler ausspricht.
Das Bild von der Zahnpasta
So beschäftigt sich Kai Biermann im passend benannten ZEIT-Blog Kulturkampf konkret mit dieser Position und meint titelgebend und den Anwalt Till Jaeger zitierend, die Forderung der Presseverlage nach einem Leistungsschutzrecht verfolge vor allem ein Ziel: Die Zahnpasta soll wieder in die Tube. Ob man allerdings den Verleger als Akteur bei der unsere Kultur maßgeblich bestimmenden Symbolvermittlung mit sehr spezialisierten und mittlerweile ebenso sehr marginalisierten Handwerksberufen wie Böttchern und Seifensieder derart lässig vergleichen kann, wie es Biermann unternimmt, steht auf einem anderen Blatt. Es zeigt obendrein deutlich, dass holprige und oberflächliche Argumente auf beiden Seiten der Debatte - und nicht nur bei nicht involvierten Beobachtern - zum Alltag gehören.
Argumentativ sinnvoller wird es, wenn Kai Biermann direkt auf das Geschäftsmodell eingeht:
"Das Internet hat mit der problemlosen digitalen Verfielfältigung [sic!] die bisherige Abo-Idee beseitigt und die Idee der teuren, weil durch den begrenzten Platz in einer Zeitung exklusiven Werbung gleich mit."
Die Entmaterialisierung der Werkvermittlung und ihre beliebige Kopier- und Rekombinierbarkeit in elektronischen Räumen konfligiert tatsächlich mit einem traditionellen Geschäftsmodell des Abonnements: Ein ökonomisch rational handelnder Akteur greift bei identischen Produkten zu dem für ihn günstigeren. Bei Nachrichten ist dies in der Regel das schnelle, umfassende, mit ein bisschen Informationskompetenz wunderbar zu kontextualisierende und sehr preisgünstige Meldungsaufkommen im Internet. Für den monatlichen Abonnement-Preis der Herald Tribune erhält man dank Datenflatrate den größten Teil der Inhalte dieser Zeitung nur eben im Netz und dazu noch die unzähliger weiterer Tageszeitungen, Nachrichtenagenturen, Fernsehsender und Radiostationen und alles, was sonst noch irgendjemand ins WWW stellt. Wenn man also nicht gerade Dilbert-Cartoons ausschneiden und sammeln möchte oder einfach das Offline-Lesen genießt, ist die Entscheidung gegen das Abonnement einer Tageszeitung die kostenrational einzig sinnvolle. Andererseits können und wollen die Nachrichtenanbieter ja nicht nicht online sein; zum einen, weil man damit auch Geld verdienen kann und zum anderen, weil die Konkurrenz nicht mitzieht und man als einziger Offline-Anbieter so gut wie keine wirtschaftliche Überlebenschance hat. (Es sei denn man heißt San Francisco Panorama und wird sofort zum Kultprodukt.)
Es ist zugegeben kompliziert für die Zeitungsverlage in dieser unklaren Struktur ein Modell zu finden, bei dem sich wenig in den bisherigen Verteilungsstrukturen ändert und das ihnen ein wirtschaftliches Existieren auf dem aus vergangenen Zeiten gewohnten Niveau ermöglicht. Ob allerdings die Ursache der Misere tatsächlich bei Google (bzw. deren News-Dienst) zu suchen ist und somit die Frankfurter Allgemeine Zeitung weg-gegoggelt als Synonym für "durch kostenfreie Internetangebote ausradierte Geschäftsmodelle" definiert werden darf, ohne sich zu blamieren, oder ob das Medium Zeitung sich von Zeit zu Zeit noch radikaler umstellen muss, als mal ein Foto auf die Titelseite zu setzen, um den Geschmack der anvisierten Zielgruppen zu treffen, ist Gegenstand eines regen Deutungskampfes.
Letztlich wollen aber eigentlich fast alle Beteiligten, dass es bleibt wie es ist: Die Zeitungsverlage wollen ihre Produkte möglichst wenig verändern, die meisten Internetnutzer wollen die Nutzungsmöglichkeiten für Webinhalte weitgehend auf dem aktuellen Stand einfrieren, der ja aufgrund der nach wie vor bestehenden weitgehenden Fixierung des Urheberrechtsgesetzes auf eine analoge Verwertungsumgebung eher dem einer Grauzone entspricht und für die Nutzer gar nicht so schlecht ist.
Die Zahnpastatuben-Metapher, die man als Erklärungsbeispiel für die Entropie - also die Unumkehrbarkeit einer Entwicklung - gern heranzieht, postuliert darüber hinaus externe Sach- und Systemzwänge, was bei genauerer Betrachtung nicht in jeder Hinsicht überzeugt. Natürlich kann man das Web auch viel heftiger regulieren. Selbstverständlich stößt auch Google auf Grenzen. Faktisch richtig ist allerdings, dass die Verbreitung eines Inhalts, der einmal digital im Netz aufgetaucht ist, kaum mehr hinsichtlich seiner Reproduktion und Weiterverbreitung kontrolliert werden kann, sofern man das Internet nutzbar und den Kontrollaufwand im Rahmen halten möchte. Am Beispiel der vielen gescheiterten DRM-Ansätze sieht man, dass es dabei nicht nur um eine Streifen Zahnpasta, sondern auch um die Quadratur des Kreises geht.
Trotzdem muss man sich fragen, ob es tatsächlich eine derart wirkmächtige Eigendynamik im Web gibt, die bestimmte Regulierungen wirklich von vornherein ausschließt.
Das Bild der WELT
Zurück zur Diskussion der Böll-Stiftung: Dass die Leistungen der Werkvermittler "Presseverlage" und in Anknüpfung der professionelle Journalismus also nicht, um im Bild zu bleiben, unkontrolliert in den Schlund des Internets gedrückt werden, ist naturgemäß eine Herzensangelegenheit derer, die von diesem Leistungsschutzrecht profitieren bzw. dieses erst in die öffentliche und politische Debatte eingebracht haben. Insofern überrascht der Kommentar Ulrich Clauss' in der Tageszeitung die WELT nicht sonderlich: "Die Kostenlos-Kultur des Internets kann teuer kommen". Einen genauen Preis nennt er allerdings nicht - er liegt wohl implizit in der Annahme des Verschwindens von Möglichkeiten für die "Schaffung und Verwertung kreativer Leistungen" also dem antizipierten Niedergang der Kreativität in der "Copy-Click-Gesellschaft", was hier immer am Beispiel des Journalismus zu sehen ist.
Er erkennt einen Wandel sowohl bei den Gelegenheitsautoren, die auf ihr Honorar verzichten müssen, wie auch bei vielen Nutzern, die mittlerweile die Sorge nach der zukünftigen Finanzierung des Qualitätsjournalismus, was auch immer wer darunter versteht, teilen. Ulrich Clauss verwendet viel Text für die Problematisierung inklusive des dieser Tage weithin verbreiteten Unbehagens an Google und schreibt im Anschluss in etwa gleicher Länge über die Diskussion in der Böll-Stiftung. Darin referiert er die vier Standpunkte
- Leistungsschutzrecht für die Pressebranche (Christoph Keese),
- Kulturflatrate (Malte Spitz, Bündnis90/Die GRÜNEN),
- Gesicherte Rechte für freie Autoren (Eva-Maria Schnurr, Journalistin)
- Zweifel am Nutzen eines speziellen Leistungsschutzrechts (Till Jaeger, Anwalt).
Man bedauert ein bisschen, dass die meisten Kommentare zur Veranstaltung diese Relation nicht behandeln, sondern sich bereitwillig auf den ersten Punkt stürzen. Dabei ist gerade die Position von Eva-Maria Schnurr (die in der WELT aktuell als Schnoor geführt wird) eigentlich die, die die Position der Urheber thematisiert. Die sich erklärtermaßen um die ökonomischen Bedingungen für Kreativität sorgenden Verwerter scheinen sich tatsächlich nicht in jedem Fall übermäßig Gedanken über die Schaffung passabler ökonomischer Bedingungen für die Kreativen (=ihren Zulieferern) zu machen. Das kreative Erwerbsleben kennt viele Baustellen und hier ist eine weitere, sehr große. Die Kulturflatrate ist dagegen ein erstklassiges Beispiel, wie eine interessante Idee unendlich schwer realisierbar scheint.
Deutlich wurden laut WELT-Bericht übergreifend der allgemeine und besonders auch der politische Wille zur Anpassung des Urheberrechts an die digitale Umwelten und die zentrale Bedeutung des Urheberrechts. Also das, was man auch schon vor 10 Jahren hätte sehen können. Die Bundesregierung, so zitiert Clauss, setzt dabei aktuell auf "ein hohes Schutzniveau und eine wirksame Durchsetzbarkeit des Urheberrechts" und spricht sich gegen ein "urheberrechtsfreien Raum" Internet und für die Gleichbehandlung der Verlage mit anderen Werkvermittlern aus. Bei der Gelegenheit sieht man wunderbar, wie hartnäckig Mythen am Leben erhalten werden, wenn sie sich als brauchbar erweisen: Das Internet ist selbstverständlich genausowenig ein (urheber)rechtsfreier Raum, wie auf einem Autobahnabschnitt, für den 120 km/h Höchstgeschwindigkeit gilt, diese Beschränkung fällt, nur weil alle mit mindestens 10 km/h mehr auf dem Tachometer durchfahren. Einer Zuspitzung scheint spätestens dann nicht mehr dienlich, wenn sie im öffentlichen Diskurs mehr oder weniger vorsätzlich Missverständnisse verankert. Denn es soll tatsächlich Leute geben, die dieser Mär vom "rechtsfreien Raum" aufsitzen.
Die Rolle Christoph Keeses und die Frage nach dem Argument
Die Nutzer, die nicht in den "vielen" Verständigen bei Ulrich Clauss subsumiert sind, kommentieren dagegen eifrig in der Dokumentation zur Veranstaltung bei der Carta:"Gottes Werk und Googles Beitrag": Dokumentation der Boell-Diskussion mit Christoph Keese. Wie die Überschrift bereits andeutet, steht auch hier die Position des Verlagsvertreters im Mittelpunkt. Die Skeptiker unter den Teilnehmern an der Debatte, die glücklicherweise im Web und anderen Medienformen permanent weiterläuft und die Diskussion in der Böll-Stiftung nur als Schwunggeber nutzte, lassen sich ganz offensichtlich nicht mehr sonderlich von sprachlicher Gewandtheit beeindrucken:
"- Es nutzt nichts, wenn rhetorisch geschulte PA-Leute um den heißen Brei reden, ein eigentliches Leistungsschutzrecht nicht definieren können als auch die Finanzierung eines solchen. Von Dogmatik zu sprechen erweckt den Eindruck, als wenn der Redner über vertiefende Kenntnisse verfügt, dabei wird definitorisches Unvermögen vertuscht.
- Fachbegriffe in den Raum zu werfen – wie „Gesetzeslücke“ – beeindrucken, sind aber falsch",
kommentiert zum Beispiel ein Nutzer namens Gk. Ein anderer meint schlicht und direkt:
"Ich habe nun schon so oft Herrn Christoph Keese gelesen und gehört und mein Kopfschütteln wird nicht weniger. Vielleicht sollte Herr Keese Rückgrat beweisen und seinem Auftraggeber berichten, dass das Vorhaben, ein Recht zum Gelddrucken vom Gesetzgeber ohne Argumente herbeizuführen, nicht zu erreichen ist."
Dahinter steckt natürlich wieder Rhetorik und wenn sich zuviel davon ansammelt, geht das Argumentieren womöglich verloren. Vielleicht resultieren die in diesem Zusammenhängen häufig auftretenden Versuche, rhetorische Kniffe anzuwenden und zu dekonstruieren, die oft auch in reine Polemiken umschlagenden Diskussionsstränge und die Neigung zu Basta-Aussagen ("die Zahnpasta ist aus der Tube") auch daraus, dass im Vergleich zur Diskursintensität nur relativ wenige konkrete und in der Regel allseits bekannte wirkliche Argumente gibt. Wo neue Erkenntnisse fehlen, fällt es schwer, sachlich kritisch in die Debatte einzugreifen. Was dann angesichts der unausweichlichen argumentativen Redundanz als Durchsetzungsmöglichkeit noch bleibt, sind Zähigkeit, Dreistigkeit im Behaupten und Originalität in der Verpackung. So bemisst auch Matthias Spielkamp in seinem Kommentar zur Veranstaltung den Erfolg der Diskussion vor allem daran, dass sich Christoph Keese mit seiner Position endgültig entzaubert hat. Ende der Rhetorik?
Diskursführungsstil
Für derartige Konflikte, die in eine Sackgasse laufen und bei denen wenigstens eine Position an argumentativer Substanzarmut zu scheitern droht, gibt es zwei Handlungsvarianten: Erstens verfolgt man den Gegner, stellt und erledigt ihn. Oder zweitens, viel schwieriger, versucht man dem Gegenüber eine Brücke zu bauen, die ihm den Rückzug möglichst Gesichtsverlust ermöglicht. Wenn er diese nicht annimmt - als kluger Diskursteilnehmer wird er es aber tun - kann man ihn immer noch neben derselben ins Wasser stoßen.
Was man nicht erleben wird und was leider immer wieder unverschämt in den Diskussionen eingefordert wird, ist ein selbsterniedrigendes "Ihr habt recht, ich habe mich geirrt." Das Eingeständnis eines Irrtums erscheint dabei unwahrscheinlicher und unmöglicher, je länger der Konflikt anhält. Die Erfahrung zeigt, dass bestimmte Positionen häufig nur deswegen über lange Zeit aufrechterhalten werden, weil der jeweilige Vertreter vor allem seine Initialentscheidung für die jeweilige Position zu legitimieren versucht. Die Sachebene ist dabei längst verlassen.
Unsere kulturelle Praxis erweist sich bedauerlicherweise als recht arm, wenn es darum geht, nachträgliche Einsichten und Irrtümer zuzulassen. Dagegen zeigt sie sich recht vielseitig, wenn es darum geht, Unentschiedenheit zu tadeln ("inkonsequent", "weiß auch nicht, was er will", "kein klarer Standpunkt").
Während es im Gesetzgebungsverfahren in der Tat um die Festlegung von Eindeutigkeit geht, ist dies in den auf sie zulaufenden Debatten nicht unbedingt mit der anzutreffenden Vehemenz nötig. Diese dienen, sachlich betrachtet, vor allem dazu, Möglichkeiten durchzuspielen, um am Ende möglichst einen Kompromiß zu entdecken, der wie immer niemanden zufrieden stellt aber auch niemanden substantiell beschädigt zurücklässt. Solch ein kreativ-spielerisches Verhältnis zu Debatten ist in den in diesen Zusammenhängen anzutreffenden Diskursräumen selten anzutreffen. Bedauerlicherweise geht es meist immer ums Ganze, weshalb man Diskussionsrunden gern etwas unbefriedigt in der Sache verlässt. Der Diskurs und seine Funktion werden viel zu wenig ernst genommen, die eigene Position dagegen zu sehr.
Selbstverständlich ist der zitierte, sicher gut gemeinte Rat an Christoph Keese, seinen Irrtum doch einzusehen und sein Bemühen um das Leistungsschutzrecht einzustellen, unsinnig. Das hat weniger mit Rückgrat, sondern mit dem damit zusammenhängenden Eingeständnis des Scheiterns in seinem Beruf zu tun. Denn sein Beruf ist nun mal, ein bestimmtes Interesse durchzusetzen und zwar vermutlich unabhängig von jeder persönlichen Einstellung zum Gegenstand. Was oft übersehen wird: Viele professionelle Akteure in der Debatte werden dafür bezahlt, dass sie eine bestimmte Position vertreten. Wie weit man diese Rolle im Zweifelsfall mit seinem Gewissen in Übereinstimmung bringen kann, ist eine andere Sache.
Weiterhin ist überhaupt nicht klar, von welchen Positionen und auf der Grundlage welcher Überlegungen der Gesetzgeber tatsächlich entscheiden wird. Kennt jemand einen objektiven Bezugspunkt, den der Gesetzgeber in der Debatte als Orientierung nehmen kann? Genau genommen geht es für ihn darum, die Lösung in einem Spannungsverhältnis zu finden, das aus mitunter schwer definierbaren Interessenlagen besteht. Es besteht Handlungsdruck bei großer Unsicherheit und die Fixierung auf den Akteur Google ist dabei Ausdruck derselben: Man hat sich hiermit auf einen gemeinsamen, greifbaren Referenzpunkt geeinigt, der spannenderweise nach wie vor halbwegs unantastbar außerhalb der Debatte zu stehen scheint.
Die Aufgabe der Öffentlichkeit
Da man dies alles weiß und jeder mittlerweile erkannt haben dürfte, dass der politische Diskurs ebenfalls einer Aufmerksamkeitsökonomie folgt, die auf Marktanteile in Hinblick auf das Agenda Setting und Meinungsbildung setzt, freut man sich zweifellos, wenn die (digitale) Öffentlichkeit die Strategien der Debatte unterläuft und von jemandem wie Christoph Keese, der hier natürlich beliebig durch Hubert Burda oder Mathias Döpfner oder andere ersetzt werden könnte, überzeugendere Argumente einfordert. Aufzuzeigen, dass man die Kommunikationsstrategien den Verlagen in der Form nicht abkauft, ist ein probates Mittel, selbst wieder Gestaltungsmacht im Diskurs zu gewinnen. Und die sollte in einer demokratischen Gesellschaft möglichst in der Öffentlichkeit und nicht bei Lobbyvertretern liegen. Bei einer Lobby, die die meinungsbildenden Medien unmittelbar kontrolliert, erweist sich dies umso schwieriger und notwendiger.
Insofern hat Valie Djordjevic in ihrer Zusammenfassung für iRights.info recht, wenn sie schreibt:
So gesehen scheint es wichtig und richtig zu sein, dort [bei den Argumenten der Verlagsvertreter] weiter zu graben, sonst besteht die Gefahr, dass wir uns als Bürger plötzlich einem Gesetz gegenüberstehen, dass wir nicht verstehen – und davon gibt es wahrscheinlich schon zu viele.
Die Erkenntnis nicht nur aus der Veranstaltung in der Böll-Stiftung liegt demnach darin, ein demokratisches Diskursverständnis einzufordern, das darauf beruht, dass man weder gezwungen noch verführt werden möchte, sondern überzeugt. Völlig berechtigt ist eine Hauptaufgabe der (Web)Öffentlichkeit, Scheindiskurse zu dekonstruieren, selbst auf die Gefahr hin, dass sie dabei wieder andere entstehen.
Und wenn es tatsächlich wenig sinnvolle Gründe für ein Leistungsschutzrecht gibt, dann sollte man die Energien der Lobbyarbeit womöglich weniger in Richtung Politik als in Richtung Mediennutzer richten und - gern auch ökonomisch irrational begründbare - Mehrwerte für Medienprodukte entwickeln, die diese Zielgruppe überzeugt, Geld für etwas auszugeben, weil sie eine Leistung erhalten, die ihnen dies wert ist. Nur sollte man, wenn man sich konsequent dem Marktparadigma unterwirft, dem Kunden überlassen, ob er in einem Produkt diesen Wert sieht und dies nicht, wie es beim so sehr behaupteten Qualitätsjournalismus oft zu sehen ist, von Anbieterseite vorschreiben. Mitunter scheint es, als würden die Vertreter der Verlage ihre Abhängigkeit gerade den Teil der Öffentlichkeit, der mit ihnen in eine kritische Debatte eintritt, nicht bzw. nicht auf Augenhöhe sehen. Die Aufgabe der kritischen Öffentlichkeit kann es dann, trotz aller Diskursethik, durchaus sein, hier mittels Kritik hineinzugrätschen, um allzu selbstsichere Positionen ein wenig zu erschüttern. In der Böll-Stiftung scheint dies, wie man liest, sogar ein wenig gelungen zu sein.