Die Dichotomien im Urheberrecht scheinen sich zu verstärken
Eine erste Einschätzung der Ergebnisse der Benutzerbefragung der Public Consultation on the Review of the EU Copyright Rules
Für die in Angriff genommene Urheberrechtsreform in der EU sind harte Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Interessengruppen zu erwarten. Dies gilt insbesondere auch für die beiden Gebiete Bildung/Ausbildung und Forschung.
Der erste von der EU bereitgestellte „Report on the responses to the Public Consultation on the Review of the EU Copyright Rules” macht sehr deutlich, dass die Welt des auf Bildung und Forschung bezogenen Publizierens und Nutzens veröffentlichter Werke fast schon dichotomisch geteilt ist. Das lässt die erste (von der EU-Kommission selbst vorgenommene Analyse) der Antworten auf die auf Lehre bezogenen Fragen (42-46) und die auf Forschung bezogenen Fragen (47-49) klar erkennen:
Auf der einen Seite sind Verleger und Verwertungsgesellschaften mehr oder weniger mit dem Status quo zufrieden, sehen also keinen weitergehenden Urheberrechts-Regulierungsbedarf. Sie setzen deutlich auf lizenzgesteuerte Geschäftsmodelle und schätzen weitergehende Schrankenregelungen als kontraproduktiv ein.
Deutlich anders sehen das die in Lehre und Forschung aktiven Personen. Sie schätzen vor allem die Nutzungssituation für veröffentlichte Werke als durchaus unbefriedigend ein und halten die jetzigen Schrankenregelungen für zu restriktiv und nicht für zeitgemäß. Die meisten Nutzer würden eine breit angelegte Ausnahmeregelung für den nicht-kommerziellen Gebrauch in nicht weiter zu spezifizierenden Ausbildungskontexten bevorzugen. Solche Lösungen sollten von der EU als verpflichtend gegenüber den Mitgliedsstaaten gemacht werden („broad mandatory teaching exception“).
Die meisten Antworten aus Bildung und Forschung sind gegenüber Lizenzregelungen skeptisch. Zumindest die gegenwärtigen Formen werden als zu einschränkend und als zu kostspielig eingeschätzt. Open Access wird überwiegend als angemessenes Publikationsmodell gesehen, das stark unterstützt werden sollte. Auch aus Sicht der Forschung sollte eine verpflichtende und technologie-neutrale Ausnahmeregelung auf EU-Ebene beschlossen werden.
Zweigeteilt scheint die Welt der Autoren zu sein – zumindest legt das die (hier nicht so klare) EU-Analyse nahe: (a) Forscher als Autoren wissenschaftlicher Publikationen haben mit den gegenwärtigen Urheberrechts- und Lizenzierungsregelungen Probleme, während ansonsten (b) die breite Mehrheit der Autoren die Kombination von Schranken- und Lizenzregelungen als ausreichend flexibel für ihre Forschung einschätzt und den Zugriff auf wissenschaftliche Publikationen als gesichert ansieht. Allerdings wird die Vergütung von Autoren aus der Gruppe (b) als nicht ausreichend geregelt angesehen. Nicht klar erkennbar ist allerdings, wer denn die Autoren unter (b) unter der Perspektive von Lehre und Forschung, anders als die Autoren unter (a), sein sollen. Hier wird man sich die vollständige Dokumentation der Antworten noch einmal ansehen müssen.
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