Terminkalender
Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 |
8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 |
15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 |
22 | 23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 |
29 | 30 | 31 |
Digitale Gesellschaft und Deutsche Content Allianz. Neue Interessenvertretungen kurz kommentiert.
Das kollaborative Paradigma der Web-Welt schlägt Wurzeln im Real Life: Vor ca. zwei Wochen haben sich gleich zwei neue Bündnisse auf das lobbyistische Schlachtfeld Internet geworfen: Die „Digitale Gesellschaft" und die „Deutsche Content Allianz"
Digitale Gesellschaft
Zum Start der diesjährigen Re:publica am 13.04.2011 wurde die „Digitale Gesellschaft“ (DG) gestartet. Auf der Kontaktseite findet sich der Hinweis „e.V. i.Gr.“. Zudem wird die Anerkennung als gemeinnützige Organisation angestrebt (vgl. die Meldung zum Start der Initiative auf Netzpolitik.org). Wer weiß, wie aufwändig eine Vereinsgründung mitunter sein kann (inkl. der Anerkennung der Gemeinnützigkeit, welche durch das zuständige Finanzamt erfolgt), kommt leicht zu dem Schluss, dass sich hier ein Bündnis formiert, welches längerfristig mitmischen möchte. Neben dem Netzpolitik.org-Gründer Markus Beckendahl zählen Markus Reuther, Mitarbeiter der Heinrich-Böll-Stiftung, und der Grünen-Politiker Benjamin von der Aue zum Vorstand.
Die „Digitale Gesellschaft“ versteht sich als „Bewegung für digitale Bürgerrechte“ (vgl. Frage 5 im FAQ) und setzt sich zwei Ziele:
1. „Wir wollen eine Kampagneninfrastruktur aufbauen und die Durchführung von Kampagnen ermöglichen.
2. Wirksame Interessenvertretung für digitale Bürger- und Verbraucherrechte“
Das Themenspektrum der DG ist dementsprechend weit gefächert: Urheberrecht ist zweifelsohne ein wichtiger Punkt – daneben werden bei den Netzlobbyisten Lobby-Transparenz, Open Data, Datenschutz, Vorratsdatenspeicherung sowie Netzneutralität als primär zu behandelnde Bereiche in der Informationsgesellschaft auf die Tagesordnung gesetzt. Dies liest sich in weiten Teilen wie die Themenliste der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“.
Deutsche Content Allianz
Am gleichen Tag gab die „Deutsche Content Allianz“ (DCA) eine Gemeinsame Erklärung mit dem fantastischen Titel „Inhalte kreieren. Technologie mit Leben erfüllen. Wertschöpfung gestalten.“ heraus. Die „Deutsche Content Allianz“ – das sind zunächst vornehmlich Beteiligte der Verwertungsindustrie: ARD und ZDF, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Bundesverband der Musikindustrie e.V., die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V., Die Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen (Produzentenallianz) und Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. (SPIO).
Es finden sich die von einer Allianz von Vertreterinnen der Verwertungsindustrie zu erwartenden Parolen: „Das System der Urheber- und Leistungsschutzrechte ist daher als Basis kreativen Schaffens [...] zu ergänzen bzw. sachgerecht fortzuentwickeln.“ (vgl. S. 2, Ist damit wohl ein eventuelles Leistungsschutzrecht für Presseverlage gemeint?) oder „Der Gesetzgeber ist aufgerufen zu verhindern, dass im Internet rechtsfreie Räume entstehen [...].“ (ebd.). Den Abschluss des Vier-Punkte-Papiers bildet daneben eine erfreuliche Forderung, nämlich „diskriminierungsfreien Zugang und Auffindbarkeit der Angebote beim Nutzer zu gewährleisten“ (ebd.). Dies zielt auf Bestrebungen, den Datenverkehr im Internet (nicht) stärker zu regulieren, wie sie unter dem Schlagwort Netzneutralität seit geraumer Zeit diskutiert werden.
Resonanz
Dass die Deutsche Content Allianz von den sogenannten Netizens mit Blumen begrüßt wird, war gemeinhin nicht zu erwarten. Dass jedoch auch die Digitale Gesellschaft nicht nur FreundInnen in der Netzwelt hat, überrascht schon eher.
Es ist wohl vor Allem das repetitive „Wir“ in Verbindung mit der Organisationsstruktur der DG als Verein, die als relativ geschlossen betrachtet werden kann, welches die Kritikerinnen auf den Plan ruft. Aus den Kommentaren zur DG (direkt als Mitteilungen auf den Seiten der DG oder indirekt in der Blogosphäre) lässt sich u.a. herauslesen, dass Unzufriedenheit herrscht hinsichtlich der Deutungshoheit dieses „Wir“ in Kombination mit „digital“ und „Gesellschaft“. Statt andere zur Beteiligung anzuregen, sieht sich die DG in den ersten Tagen des Vereinsdaseins mit Vorwürfen konfrontiert, eine exklusive (gar elitäre) Vereinigung zu sein.
Die DG und DCA gesellen sich nun also zu „Co://aboratory“, der von Google initiierten Diskussionsplattform. Auch hier bei Co://aboraty ist der Anspruch ein hehrer:
„Das Collaboratory bringt Internet-Experten aus allen gesellschaftlichen Bereichen zusammen, die die Veränderungen der digitalen Welt analysieren und Nutzen formulieren können, den die Gesellschaft aus diesen Entwicklungen ziehen kann.“
lautet es in der Selbstdarstellung. Neben der Google Deutschland GmbH zählen Creative Commons, die University of Salzburg Business School, das Kompetenzzentrum für Electronic Government and Applications (ELAN) des Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme und der Wikimedia Deutschland e.V. zu den institutionellen Mitgliedern.
Perspektiven für BuW
Wer sich auf politischer Ebene – in diesem Fall bedeutet dies, aktiv zu werden in den Aushandlungen zum UrhG im Rahmen des Dritten Korbes oder den Aushandlungen in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ – für ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht einsetzt, sollte Folgendes beachten:
... dass sich drei (weitere) Kommunikatoren gebildet haben, die sich (unter anderem) bei der Aushandlung eines zeitgemäßen Urheberrechts einbringen.
... dass jede Interessenvertretung jeweils für sie relevante Themen diskursiv besetzt. (So bemüht die DCA bspw. die Plattitüde des „rechtsfreien Raumes“, den es zu verhindern gilt und gibt den Rahmen vor, wie dies zu realisieren wäre.)
... dass jede Interessenvertretung wortwörtlich im eigenen Interesse handelt und es in einer pluralistischen Gesellschaft demnach um Konkurrenz mit anderen Interessenvertretungen geht.
Vor diesem Hintergrund kann man sich folgende Fragen stellen: Was und wie wird von und zwischen diesen Akteurinnen verhandelt? Mit welchen anderen Akteurinnen (Ministerien, Industrie, jeweils relevante Vertreterinnen aus dem Ausland, Medien) treten sie in Kontakt? Welche Resonanz erzeugen die jeweiligen Aktivitäten in den Medien sowie bei den politischen Entscheidungsträgerinnen?
Vornehmlich aber ist interessant, welche Themen von Akteurinnen wie der DG oder DCA nicht zur Sprache gebracht werden. Dies nämlich könnte die Frage beantworten, warum sich Vertreterinnen aus Bildung und Wissenschaft überhaupt mit Interessenvertretungen wie der DG und DCA sowie Co://aboratory auseinander setzen sollten.
Bei jeder Interessenvertretung werden die Anliegen einer bestimmten Gruppe fokussiert, wobei diese Interessengruppen durchaus aus verschiedenen Untergruppen bestehen kann, deren Partikularinteressen kollidieren könnten. Dies war zuletzt am Beispiel von § 52a UrhG zu sehen: Wenn die Bundesländer (bzw. in Vertretung derer der Vorsitzende der Kommission Bibliothekstantieme) nun mit der VG Wort einen Gesamtvertrag schließen, in dem Begriffe wie „kleine Teile eines Werkes“, „Teile eines Werkes“ sowie „Werke geringen Umfangs“ definiert, Vergütungshöhen sowie Auskunftsansprüche der VG Wort festgelegt werden, dürfte das nicht alle Vertreterinnen von Bildung und Wissenschaft erfreuen.
Eine Analyse der von DG oder DCA (nicht) verhandelten Inhalte ist sicher für das eigene politische Engagement hilfreich, damit Themen, die für Bildung und Wissenschaft zentral sind, zum einen nicht einseitig besetzt und zum anderen überhaupt angesprochen werden. Dieser Bereich hat bereits eine eigene, etablierte Interessenvertretung: Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Wissenschaft und Bildung. Es wird sehr spannend zu sehen, wie dieses angesichts der wachsenden Konkurrenz auf dem Marktplatz der Diskurse um das Urheberrecht agiert und reagiert.
- Weblog von Michaela Voigt
- Anmelden oder Registrieren um Kommentare zu schreiben
- Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft
- Allianz Deutscher Produzenten
- ARD
- Benjamin von der Aue
- Börsenverein des deutschen Buchhandels e.V.
- Bundesverband der Musikindustrie e.V.
- Co:llaboratory
- Deutsche Content Allianz
- Digitale Gesellschaft
- Dritter Korb
- GEMA
- Interessenvertretung
- Internet-Enquete
- Lobbyismus
- Markus Beckedahl
- Markus Reuther
- Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. (SPIO)
- VG Wort
- ZDF
Ähnliche Publikationen (automatisch ermittelt)
- Langzeitarchivierung und Dritter Korb - das Kompetenznetzwerk nestor als Ansprechpartner des Gesetzgebers
- Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung i.S.d. § 19 a UrhG
- Bundesjustizministerium plant Fachanhörungen zum Urheberrecht [Update]
- Urheberrechtliche Handlungsfelder für einen »Dritten Korb«
- Der Netzpolitik-iRights-Podcast: Netzrecht im Gespräch 001
Kommentare
Gesamtvertrag zu § 52a UrhG
Was den oben angesprochenen Gesamtvertrag zwischen der VG Wort und den Bundesländern betrifft: Der zwischen den beiden Parteien geschlossene Gesamtvertrag, der die Vergütung von nach Maßgabe des § 52a Urhg (Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung) genutzten Werkteilen regelte, lief am 31.12.2007 aus; auf einen Anschlussvertrag konnten sich die VG Wort und die Bundesländer nicht einigen.
In der Folge kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Am 24.03.2011 gab das OLG München in der Rechtssache AZ 6 WG 12/09 das Urteil bekannt, welches einen Gesamtvertrag - nachträglich gültig ab dem 01.01.2008 - festsetzt.
(Vgl. hierzu IUWIS-Meldung Rechtsstreit VG Wort - Bundesländer § 52a)