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Urheberrecht vor Nagelprobe in Enquete-Kommission
Nachdem sich abzeichnet, dass der Gesetzgeber sich im bevorstehenden so genannten Dritten Korb auf ein „Feintuning der geltenden Urheberrechtsbestimmungen“ beschränken könnte (so der parlamentarische Berater der FDP-Fraktion, Ole Jani, auf der Göttinger Urheberrechtstagung am 03.11.2010), richten sich die Blicke vermehrt auf die Arbeit der Enquete-Kommission Internet und digitake Gesellschaft des Deutschen Bundestags. Dort sollen die zentralen Weichen gestellt werden für ein tragfähiges Urheberrecht im digitalen Informationszeitalter.
Vor der wichtigen öffentlichen Anhörung Urheberrecht der Enquete-Kommission am 29.11.2010 werden nun die Stimmen lauter, die eine grundsätzliche Neuordnung des Urheberrechts fordern. Ungewohnt drastisch geißelte Professor Reto Hilty, Direktor des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, das Urheberrecht als „ein Denkmodell aus dem auslaufenden 19. Jahrhundert.“ Wie heise online weiter vom Netzpolitischen Kongress der Grünen am 12.11.2010 berichtet, setzt sich Hilty für eine grundlegende Neufassung des Urheberrechts im digitalen Zeitalter auch auf internationaler Ebene ein. Der Urheberrechtsforscher Hilty verstärkt damit seine Forderungen nochmals. Schon auf der Jahrestagung der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) im September sprach er von unterentwickelten Begrenzungsinstrumenten für Geistiges Eigentum. Im Kreise von Fachjuristen plädierte Hilty unter anderem für Zwangslizenzen im Urheberrecht und eine Verkürzung der Schutzfristen (IUWIS-Bericht hier).
Welchen Rückhalt Hiltys Forderungen in den Rechtswissenschaften finden, wird in gut zwei Wochen im Deutschen Bundestag zu erfahren sein. Bei der öffentlichen Anhörung stehen mit den Professoren Thomas Dreier (Karlsruhe), Karl-Nikolaus Peifer (Köln) und Gerald Spindler (Göttingen) führende Urheberrechtsexperten auf der Liste der Sachverständigen.
Im Vorfeld der Anhörung offenbart schon der Fragenkatalog an die Sachverständigen unterschiedliche Akzente in den politischen Lagern. Nur eine einzige Frage erwähnt teilweise die Situation in Wissenschaft und Bildung. So will die Fraktion Die Linke von den Experten wissen, ob im geltenden Urheberrecht „die Interessen von Bildung und Forschung ausreichend berücksichtigt werden“. Von Bedeutung für WissenschaftlerInnen ist auch eine mögliche Konkurrenzsituation von Modellen kollektiver Vergütung und Creative-Commons-Lizenzen, wie es ebenfalls seitens Die Linke thematisiert wird. Die FDP-Vertreter in der Enquete-Kommission wollen diskutieren, in welchem Umfang „staatliche Einrichtungen (inkl. Politik, Verwaltung) intensiver auf Open Access und Creative-Commons-Lizenzen hinarbeiten“ sollten. Wie gut solche Angebote bislang angenommen werden, ist dazu eine Vorfrage für die FDP-Fraktion.
Einen Schwerpunkt legt die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen auf die Theorie der öffentlichen Güter im Urheberschutz. „Wie kann“, so die Frage der Grünen-Vertreter, „rechtlich und tatsächlich gewährleistet werden, dass alle mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Werke der Allgemeinheit frei zugänglich gemacht werden?“
Darüber hinaus interessant ist zum Beispiel die Frage der CDU/CSU-Fraktion, ob der Urheber oder der Nutzer im Mittelpunkt stehen sollte. Letzteres würde einen Paradigmenwechsel des deutschen Urheberrechts bedeuten. Politisch unterstützt wird eine solche urheberrechtliche Interessenneuordnung etwa von Till Steffen, Justizsenator der Grünen in Hamburg und Vorsitzender der Landesjustizministerkonferenz. Er hatte sich im Frühjahr mit einem Diskussionspapier „Nutzerorientierte Ausrichtung des Urheberrechts“ in die urheberrechtliche Diskussion eingeschaltet (dazu zum Beispiel IUWIS hier).
Bei der SPD kommt in einer Frage die Sorge eines „Zielkonflikts zwischen Informationszugang und Förderung des kreativen Potenzials der Gesellschaft“ zum Ausdruck. Die FDP-Fraktion erhofft sich Anregungen für neue Geschäfts- und Lizenzmodelle im Internet und für Maßnahmen, „um Aushöhlungen des Ausschließlichkeitsrechts der Urheber (durch gesetzliche Lizenzen, Zwangslizenzen, Verwertungsgesellschaftenpflichtigkeit) abzubauen?“
Die öffentliche Anhörung Urheberrecht der Enquete-Kommission am 29.11.2010 ab 13 Uhr können interessierte BürgerInnen nach kurzer formloser Anmeldung auf den Zuhörerrängen (spätestens bis 24.11.2010) im Paul-Löbe-Haus verfolgen. Auch wird die Sitzung live unter www.bundestag.de übertragen und ist anschließend als Video on Demand in der Enquete-Mediathek verfügbar. Weiter können BürgerInnen im Diskussionsforum Urheberrecht der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft Fragen an die Experten einstellen.
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- Enquête-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” - öffentliche Anhörung am 29.11.2010
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