Positionspapier zur Sichtbarmachung der kulturellen Erbes im Internet

Auf der Herbsttagung der Fachgruppe Dokumentation des Deutschen Museumsbundes wurde das von Dietmar Preißler, dem Sammlungsdirektor der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, entworfene Positionspapier „Kulturelles Erbe im Internet sichtbar machen - Museumsobjekte und Urheberrecht“ [pdf] von den TeilnehmerInnen der Tagung, die vom 17. - 19. Oktober 2011 im Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin stattfand, diskutiert und angenommen.

In dem Papier wird auf das Dilemma hingewiesen, dem sich deutsche Museen gegenübergestellt sehen, indem sie einerseits durch die deutsche Kulturpolitik dazu aufgefordert sind, das deutsche Kulturerbe im Internet, insbesondere in der Deutschen Digitalen Bibliothek und Europeana sichtbar zu machen, andererseits ihnen dies für Werke des 20. und 21. Jahrhunderts kaum möglich ist, ohne Gefahr zu laufen, dabei massenhaft Urheberrechtsverletzungen zu begehen.

Dies gilt zum einen für das Sonderproblem der ‚verwaisten Werke‘, für die keine UrheberInnen ausfindig gemacht werden und die dementsprechend auch nicht gefragt werden können, ob sie mit der Digitalisierung und öffentlichen Zugänglichmachung ihrer Werke im Internet einverstanden sind. Hier hat allerdings der europäische Gesetzgeber im Mai diesen Jahres die Initiative ergriffen und einen Vorschlag zur Lösung des Problems der verwaisten Werke vorgelegt.

Zum anderen, und dies wiegt schwerer, gilt das genannte Dilemma aber auch für alle anderen in musealen Sammlungen in großer Zahl vorhandenen Werke, deren UrheberInnen zwar bekannt sind, aber die seitens der öffentlich finanzierten Gedächtnisinstitutionen weder einzeln noch als Gesamtbestand über Verwertungsgesellschaften lizensiert werden können, da die Kosten solcher Massendigitalisierungs- und Lizensierungsprojekte die Möglichkeiten der Museen bei weitem übersteigen würden.

In dem Positionspapier wird daher die Schaffung einer gesetzlichen Möglichkeit gefordert, dahingehend, dass Museen, die vorwiegend öffentlich finanziert sind oder nichtkommerziellen kulturellen Zwecken dienen, die Katalogdaten ihrer Bestände in Digitalen Bibliotheken online sichtbar machen dürfen, und zwar mitsamt dem in der Museumsdokumentation üblichen Dokumentationsfoto des Objekts, durch das allein ein Museumsobjekt hinreichend beschrieben werden kann und definiert ist. Bislang ist es aus urheberrechtlichen Gründen nicht möglich, ein solches Dokumentationsfoto wie andere Metadaten – die frei, d.h. nicht urheberrechtlich geschützt sind – zu behandeln. Voraussetzung für eine mögliche Veröffentlichung des Dokumentationsfotos ist wohlgemerkt, dass das Museum sich die Verwertungsrechte des Fotografen bzw. der Agentur gesichert hat.

In dem Papier wird eine vergütungsfreie Schrankenlösung angedeutet, etwa analog zur oder als zulässige Interpretation der Zitatschranke (§ 51 UrhG), so dass das Dokumentationsbild quasi nur die Existenz und den Besitz des Objekts belegen würde. Zugestanden wird, dass es sich um ein Bild handeln muss, das nicht ‚zum Werkgenuss taugt‘, d.h. nicht kommerziell nutzbar ist und nicht weiter reproduziert werden kann – was durch technische Maßnahmen (digitale Wasserzeichen, Kopierschutz, geringe Auflösung) zu sichern ist. Kurz, ‚Thumbnails‘ in den digitalen Objektdatenbanken der Museen sollen in Zukunft rechtlich wie alle anderen Metadaten zum Objekt behandelt werden und zustimmungs- und vergütungsfrei kopiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen. Nach meinem Dafürhalten wäre ebenso sinnvoll eine Änderung des § 58 Abs. (2) UrhG (Katalogschranke) dahingehend, dass sie um das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung (§19a UrhG) von Verzeichnissen zur Dokumentation von Beständen erweitert wird.

Die in dem Positionspapier vorgeschlagene Lösung liegt diesem zufolge nicht nur im Interesse der Gedächtnisorganisationen und der Öffentlichkeit, sondern auch in demjenigen der UrheberInnen bzw. RechteinhaberInnen, da deren Werke durch ihren ordentlichen Nachweis in Digitalen Bibliotheken aufgefunden werden können und somit dem Vergessen und dem Verfall entzogen sind.

An dieser Stelle kann auf einen in eine ähnliche Richtung gehenden Vorschlag des Netzwerks Mediatheken vom April 2011 hingewiesen werden: „Audiovisuelles Erbe im Internet sichtbar machen“ [pdf].

Es ist dringend an der Zeit, dass sich der Gesetzgeber mit der in dem Positionspapier angesprochenen Problematik beschäftigt und so bald wie möglich eine Lösung findet – am besten sollte die geforderte Schranke noch im Rahmen des gerade in der Diskussion befindlichen 3. Korbes der Urheberrechtsreform realisiert werden! Schließlich soll die Deutsche Digitale Bibliothek für die Fachöffentlichkeit ab Ende 2011 und für die allgemeine Öffentlichkeit ab 2012 online gehen...