Kurz vor dem GAU eines rechtsfreien Raums? Die Koalition rettet den E-Learning-Paragraphen 52a erst in letzter Minute

Heftige Kritik hagelte es heute auf die Koalitionsparteien im Deutschen Bundestag. Anlass war § 52a Urheberrechtsgesetz (UrhG), der die Rechtsgrundlage für E-Learning und elektronische Forscherplattformen bildet und gem. § 137k UrhG am 31.12.2012 ersatzlos ausläuft. Schon im Wintersemester 2010/2011 wurden 1,1 Millionen Werke in der deutschen Hochschullehre auf Basis dieser gesetzlichen Bestimmung genutzt, weitere 250.000 Wissenschaftsmaterialien im Forschungsbereich. Die Nutzungstendenz urheberrechtlich geschützter Materialien für E-Learning und E-Science ist nach Angaben der Kultusministerkonferenz weiter stark steigend.

In allerletzter Minute planen die Koalitionsparteien nun offenbar, die Befristung von § 52a UrhG erneut zu verlängern (siehe Pressemitteilung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 07.11.2012). Doch selbst die Bundestagsabgeordneten waren heute Vormittag teils noch nicht darüber unterrichtet, was bereits morgen in erster Lesung im Bundestagsplenum beraten werden soll. Der SPD-Abgeordnete René Röspel erfuhr erst auf Nachfrage von CDU-Wissenschaftspolitiker Tankred Schipanski, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung eine Verlängerung um weitere zwei Jahre beinhalte. Das sei ein „Ausweis für Unfähigkeit“ der Bundesregierung, kritisierte Röspel. Nach seiner Ansicht habe sich § 52a UrhG bewährt, er sei „elementar für Lernen und Forschen“ und schaffe Rechtssicherheit. Daher habe die SPD-Bundestagsfraktion schon vor der parlamentarischen Sommerpause einen Gesetzentwurf vorgelegt, um § 52a UrhG dauerhaft zu etablieren. Gegen den Gesetzentwurf stimmten heute im Bildungsausschuss die Bundestagsabgeordneten von CDU/CSU und FDP, dafür votierten die Fraktionsmitglieder der SPD, der Linken und der Grünen (BT-Drs. 17/10087, dazu auch eine Pressemitteilung von MdB Röspel vom 19.10.2012 sowie Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion vom 07.11.2012).     

In der heutigen Sitzung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung bezogen die Koalitionsvertreter jeweils nur kurz Stellung zu § 52a UrhG. Der CDU-Abgeordnete Tankred Schipanski warnte vor Schnellschüssen der Opposition und erinnerte an zwei anhängige Musterprozesse. Angesichts des bevorstehenden Auslaufens von § 52a UrhG wäre es für den forschungspolitischen Sprecher der FDP, Martin Neumann, ein „GAU, in einen rechtsfreien Raum zu kommen.“ Dieses Statement rief die Wissenschaftspolitikerin der Linke-Fraktion, Petra Sitte, auf den Plan, die darauf hinwies, dass die Verwertungsgesellschaften für diesen Fall schon bereit stünden.

Der Tagesordnung nach befasste sich der Bildungsausschuss im Übrigen vor allem mit den Empfehlungen für Open Access aus der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft. In „fraktionsübergreifendem Konsens“, so der CDU-Abgeordnete Schipanski, sei die Arbeit der Enquete-Kommission nicht auf „aktuelle Rechtsprobleme und Rechtsetzungsprojekte in dieser Legislatur“ ausgerichtet worden. Vielmehr würden die „fairen Kompromisse“ aus der Enquete-Kommission eine Diskussionsgrundlage und Vorlage für die nächste Legislaturperiode sein. Ausnahme sei allerdings § 52a UrhG, dessen gesetzliches Auslaufen zum Jahresende schon jetzt eine einzelgesetzliche Maßnahme erfordere. 

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Weiterer Beitrag zu § 52a UrhG beim Weblog "Digitale Linke"

Über "Die Zukunft der elektronischen Semesterapparate" schrieb gestern auf dem Weblog "Digitale Linke" auch Ilja Braun, Referent der Bundestagsfraktion Die Linke.