Wo bleiben Bildungs- und Wissenschaftsurheberrecht in der aktuellen Urheberrechtsdebatte?
Ein kurzer Kommentar von Ben Kaden
Unter anderem dem Bundesaußenminister Guido Westerwelle ist zu verdanken, dass das Thema Urheberrecht auch heute prominent in der Presse verhandelt wird. Im Handelsblatt (bzw. auf handelsblatt.com) findet sich ein ausführlicher Beitrag zu der von ihm mit der Bemerkung
„Wenn wir den Schutz des geistigen Eigentums in unserem eigenen Land infrage stellen, können wir anderswo auf der Welt kaum glaubwürdig für die Einhaltung des Urheberrechts kämpfen“
angestoßenen Debatte. Auf der dritten (Web)Seite des Artikels finden sich unter der Teilüberschrift Der Gesetzgeber tut sich schwer mit neuem Urheberrecht eine Zusammenfassung zum Stand der Urheberrechtsreformbemühungen des Dritten Korbs (Materialsammlung zum Thema bei IUWIS). Wer mit dem Reformprozess vertraut, entdeckt wenig neue Informationen. Wer nicht damit vertraut, erfährt leider auch nicht, dass die Debatten dazu schon eine Weile (=einige Jahre) sehr fortgeschritten und intensiv geführt werden. Insofern ist die Aussage:
„Initiativen für eine Reform könnten eher aus dem Bundestag kommen als von der Regierung. Mehrere Abgeordnete haben Überlegungen entwickelt, wie das Urheberrecht besser an die Internet-Ära angepasst werden könnte."
mehr als übervorsichtig zu nennen. Aus Sicht des Wissenschaftsurheberrechts ist aber eine weitere Passage noch weitaus interessanter:
„Bislang waren es vor allem Interessengruppen wie der Bundesverband Musikindustrie (BVMI), der Börsenverein des Deutschen Buchhandels oder die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), die teils öffentlich, teils in Treffen mit Parlamentariern ihre Standpunkte vertreten. Zuletzt aber meldeten sich die Künstler selbst zu Wort. Und ihre Interessen sind andere als die der Verlage, Plattenfirmen oder Medienhäuser."
In der Wahrnehmung wenigstens des Handelsblatts, vermutlich aber auch weiter Teile der allgemeinen und politischen Öffentlichkeit spielen die urheberrechtlichen Reformbelange hinsichtlich Wissenschaft und Bildung derzeit keine Rolle. Woran das liegt, ist unschwer im Text zu erkennen: Während Musikindustrie und Verlagswirtschaft mit intensiver Lobbymaschinerie die Diskurse gestalten, bleiben entsprechende Interessengruppen aus Bildung und Wissenschaft - je nach Perspektive - still oder mit ihren Positionen unerhört. Möglicherweise werden ihre Fragestellungen nun, nachdem die Piratenpartei mit den ersten Parlamenten auch endgültig die Leitartikel und dritten Seiten der Zeitungen eroberte und im Gegenzug Musikwirtschaft, Teile der Kreativen selbst sowie eine ganze Reihe von Politikern (inklusive dem Außenminister) die Urheberrechtsdebatte als diskursiven Präsentationsraum entdeckten, tatsächlich in den Hintergrund abgedrängt. Sicher fehlt diesem spezifischen Bereich des Urheberrechts der Breitenappeal der Populärkultur. Aber nicht nur volkswirtschaftlich sind Bildung und Wissenschaft keinen Deut weniger relevant. Für die Bildungs- und Wissenschaftslandschaft in Deutschland ist das Ausklammern dieser Aspekte aus der aktuellen Debatte jedenfalls eher kein gutes Zeichen.
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