Sollte nicht der Dritte Korb der Urheberrechtsreform ein Wissenschaftskorb sein?

VerfasserInnen

Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft"

Publikationsinformationen

Pressemitteilung 03/10
Erscheinungsdatum: 15. Juni 2010
2010
Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft"
Pressemitteilung
03/10
Pressemitteilung

Abstract

Volltext:

Pressemitteilung 03/10

vom 15. Juni 2010

Sollte nicht der Dritte Korb der Urheberrechtsreform ein Wissenschaftskorb sein?

Zusammenfassung

Das Aktionsbündnis kann mit der Auftaktrede der Bundesministerin der Justiz Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Abend des 14. Juni 2010 in Berlin zum Urheberrecht insgesamt nicht zufrieden sein. Es wurde nicht deutlich gemacht, dass das geltende Urheberrecht den besonderen Bedürfnissen von Bildung und Wissenschaft nicht gerecht wird. Das Aktionsbündnis fordert die Politik auf, das Urheberrecht um eine spezielle Wissenschaftsschranke oder -klausel zu ergänzen, auch um Klarheit in die vielen undurchsichtigen Schrankenregelungen zu bringen und um Bildung und Wissenschaft den Spielraum zu geben, den sie im Interesse der gesamten Gesellschaft brauchen. Das Aktionsbündnis wird dafür zeitnah einen Vorschlag öffentlich einbringen. Das Aktionsbündnis setzt weiter darauf, dass gerade einer liberalen Ministerin bewusst sein sollte, dass der freie (das heißt genehmigungsfreie und auch für die direkte Nutzung weitgehend vergütungsfreie) Umgang mit (wissenschaftlichem) Wissen innovationsfördernd für die Wirtschaft ist. Mit Blick auf die bevorstehenden Anhörungen fordert das Aktionsbündnis das Justizministerium auf, zumindest noch eine weitere Anhörung explizit zum Thema Bildung und Wissenschaft vorzusehen.

Ausführung

Mit einer grundsätzlichen Rede der BM der Justiz Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wurde der Dritte Korb der Urheberrechtsanpassung offiziell eröffnet [Manuskript der Rede]. Das Aktionsbündnis begrüßt, dass durchaus eine liberale Offenheit bei den Vorstellungen der Justizministerin zu erkennen ist: Sie betonte, dass die kommerziellen Verwerter (Verlage) nicht darauf hoffen können, dass das Urheberrecht ihre obsolet gewordenen Geschäftsmodelle weiter schützt. Auch den Verwertungsgesellschaften dürften kaum noch eine monopolartige Zuständigkeit für die Vergütungen zugesprochen werden, a uch wenn die Ministerin ansonsten das Kultur-Flatrate-Modell kritisiert. Französische Modelle der Internetsperren soll es in Deutschland nicht geben. Teuren Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen sollen warnende Informations- und Vorbeugemodelle vorgeschaltet werden. Aber, wie zu erwarten, übte die Ministerin auch Kritik an den „digital natives“, den „Piraten“, die das Urheberrecht nicht zuletzt als „sozialschädliches Monopol“ kritisieren.

Das Aktionsbündnis kann mit dieser Auftaktrede insgesamt nicht zufrieden sein, da nicht erkannt wurde, dass das geltende Urheberrecht den besonderen Bedürfnissen von Bildung und Wissenschaft nicht gerecht wird. In diesen überwiegend öffentlich finanzierten Bereichen stellen sich Fragen des geistigen Eigentums, der Anreize für kreatives Schaffen, des Anspruchsumfangs auf Schutz, der Rückbindung an die Interessen der Öffentlichkeit in ganz anderer Weise als z.B. in der Unterhaltungsindustrie und den Publikumsmärkten. Für das Urheberrecht wäre allerdings zu beachten, dass auch diese Bereiche wichtige Gegenstände für wissenschaftliche Forschung und für Aus- und Fortbildung sind.

Das Aktionsbündnis erinnert darin, dass sich der Dritte Korb ursprünglich der in Bundestag und Bundesrat vertretenen Auffassung verdankt, dass die bisherigen Regulierungen des Urheberrechts nicht ausreichend den Bedürfnissen von Bildung und Wissenschaft Rechnung tragen. Der Dritte Korb sollte daher ein Wissenschaftskorb sein. Dies erscheint umso dringlicher, als der bisherige für Bildung und Wissenschaft zentrale, wenn auch gänzlich unzureichende Paragraph 52a des Urhebergesetzes bislang immer noch zeitlich befristet ist. Das Aktionsbündnis fordert die Politik auf, das Urheberrecht um eine spezielle Wissenschaftsschranke oder -klausel zu ergänzen, um Klarheit in die vielen undurchsichtigen Schrankenregelungen zu bringen und Bildung und Wissenschaft den Spielraum zu geben, den sie im Interesse der gesamten Gesellschaft brauchen. Das Aktionsbündnis wird dafür zeitnah einen Vorschlag öffentlich einbringen.

Das Aktionsbündnis setzt weiter darauf, dass gerade einer liberalen Ministerin bewusst sein sollte, dass der freie (das heißt genehmigungsfreie und auch für die direkte Nutzung weitgehend vergütungsfreie) Umgang mit (wissenschaftlichem) Wissen innovationsfördernd für die Wirtschaft ist.

Das Aktionsbündnis begrüßt, dass die Ministerin die anstehende Debatte um den Dritten Korb als transparent und offen angekündigt hat. Allerdings sollten die Themen der vier Anhörungen im Sommer und Frühherbst nicht exklusiv vom Ministerium vorgegeben werden. Bildung und Wissenschaft stehen bisher — bis auf einen Ausflug in Open-Access-Fragen — bei den Anhörungen nicht im Zentrum. Das kann und darf systematisch und aufgrund der Geschichte des Dritten Korbs nicht sein. Wer die Themen bestimmt, entscheidet über das Ergebnis.

Das Aktionsbündnis fordert daher das Justizministerium auf, zumindest noch eine weitere Anhörung zum Thema Bildung und Wissenschaft vorzusehen.

Prof. Dr. Rainer Kuhlen
Sprecher des Aktionsbündnisses „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“

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