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Die schöne Blume Gleichheit und ein paar Dornen. Ein Kommentar zu Hans-Jochen Schiewers Open-Access-Appell in der FAZ
(zu: Schiewer, Hans-Jochen: Es wird Zeit, alle alles lesen zu lassen. Gleichheit der Forschungsverhältnisse: Eine Deklaration europäischer Spitzenuniversitäten zu „Open Access“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 01.06.2011, Seite N7.)
Wer nach den vielen Open-Access-kritischen Artikeln der letzten Monate den Eindruck hat, die Frankfurter Allgemeine Zeitung würde das Thema etwas einseitig bespielen, wird in der morgigen Ausgabe im Teil Forschung und Lehre eines Besseren belehrt. Der Germanist und Rektor der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität Hans-Jochen Schiewer bekommt vergleichsweise viel Raum, um anhand der zur Veröffentlichung anstehenden LERU Roadmap Towards Open Access in einem durchaus forcierten Plädoyer darauf hinzuweisen, dass es nun an der Zeit sei, die stereotypen Diskussion beiseite zu legen und "die Vision einer neuen Qualität wissenschaftlicher Kommunikation" umzusetzen. Wenn man ein wenig allergisch auf Phrasen im Diskurs (Paradigmenwechsel, digitales Zeitalter, etc.) reagiert, findet man aber einige Stolperstellen, die leider wieder auf eine solche Stereotypie – nur diesmal von der anderen Seite – zulaufen. So macht es sich der Autor, vielleicht auch angesichts der erforderlichen Kürze des Beitrags, oft etwas zu leicht:
"Richtig bleibt und ist, dass aus Sicht der führenden europäischen Forschungsuniversitäten Open Access der richtige Schritt zu einem wirklich offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen und wissenschaftlicher Erkenntnis ist. "
Mit Tautologien überzeugt man nicht unbedingt. Und manchen mag die Alternativlosigkeit, mit der der Ansatz als Perspektive für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation ausgebreitet wird, etwas zu weit gehen. Dennoch spricht er selbstverständlich eine Reihe von wichtigen Themen an, so z.B. dass der Zugang zu Wissen und seine Absicherung eine politische Aufgabe sind.
Vieles wirkt dennoch irritierend bzw. missverständlich, so beispielsweise der Bezug auf den Unterschied zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Schiewer schreibt hier von "Ungleichzeitigkeit der Entwicklung":
"Das Nebeneinander bedeutet aber auch höhere Kosten, die systemimmanent so lange bereitgestellt werden müssen, bis der Umstellungsprozess vollzogen ist."
Sofern es dabei um eine generelle Nivellierung der wissenschaftlichen Kommunikationspraxen gehen sollte, ist Vorsicht geboten. Wenn eine disziplinspezifische Entwicklung von eigenen OA-Verfahren gemeint ist, dann ist dies eher ein Weg, den auch die geisteswissenschaftliche Fachgemeinschaft mitzugehen bereit ist.
Weiterhin stört, dass mit breiter Brust die Spitzenuniversitäten ins Feld geführt werden, wobei verständlich ist, dass die Zielgruppe solcher Texte primär auf solche Schlüsselinstitutionen anspringt und die referenzierte Initiative einer League of European Research Universities ist. Die Forderungen sollten jedoch integrativ die Gesamtheit der Universitäten adressieren. Der wissenschaftsaristokratische Ansatz – die Spitzen machen vor, wohin die anderen gehen – könnte sich durchaus als Lücke im Argumentationspanzer erweisen.
Zudem scheint es für die Debatte unklug, Aspekte wie "Verwertungsrechte, Publikationskosten, Verlagsmonopole und Fremdsteuerung" der Wissenschaft mit lockerer Hand als "provinziell" und "am Thema vorbei" vom Tisch und in einen gemeinsamen Topf zu fegen. Solange wissenschaftliches Publizieren über einen Markt geschieht, bleiben gerade die Aspekte hoch relevant. Wenn man, wie Schiewer fordert, die Verlage mit ihrer "unverzichtbaren verlegerischen Kompetenz" auch langfristig einbeziehen möchte, muss man deren Geschäftsinteressen berücksichtigen. Nur mehr Mittel zu fordern, um möglicherweise ein Author Pays-Modell in breiter Ebene zu fördern, könnte sich finanziell schnell als kaum bewältigbare Aufgabe und der Zeitschriftenkrise kaum nachstehendes Problem herausstellen.
Für die Bibliotheken ist der Text ebenfalls keine wirkliche Freude, werden sie doch explizit angesichts des charmanten Zieles eines "unbeschränkten, ortsunabhängigen Zugang zu wissenschaftlicher Erkenntnis weltweit" in die zweite Reihe geschoben. Immerhin spricht sich Schiewer für den massiven Ausbau Digitaler Bibliotheken aus. Aber: "Der Aufbau dieser Strukturen bedarf zusätzlicher, substantieller finanzieller Förderung." Auch hier bleibt eine offene Finanzierungsfrage.
So könnte am Ende die Radikalität des zweifellos sehr gut gemeinten Textes, die auf eine gewisse zugangseuphorische Blauäugigkeit zuläuft, als Steilvorlage für einen möglichen Gegendiskurs dienen. Ein paar Schwachstellen habe ich bereits aufgezeigt und ich bin mir fast sicher, dass die üblichen Protagonisten an einem der nächsten Mittwoche in der FAZ noch weitere Malusse des Artikels herausstellen werden. Der Diskurs läuft immerhin. Man wünscht ihn sich allerdings ein wenig (selbst)kritischer.
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