Aus der Literatur: Josef Limper, Christian Musiol (2011): Handbuch des Fachanwalts Urheber- und Medienrecht

Rezension zu: Josef Limper, Christian Musiol (Hrsg., 2011): Handbuch des Fachanwalts Urheber- und Medienrecht. Köln: Carl Heymanns/Wolters Kluwer Deutschland GmbH, ISBN: 978-3-452-27431-1. (Seite zur Publikation beim Verlag)

von Thomas Hartmann

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In den urheberrechtlichen Verwertungsketten steckt ein nicht zu unterschätzender Arbeitsmarkt für Juristinnen und Juristen. Auch die inzwischen etablierten Universitätsinstitute und Lehrstühle zum geistigen Eigentum tragen dazu bei, dass die mit immateriellen Schutzgütern handelnden Rechtsdisziplinen eine größere Aufmerksamkeit beim juristischen Nachwuchs erzielen. So besetzen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zunehmend das Urheber- und weitere Immaterialgüterrecht. Im anwaltlichen Berufsstand führen bundesweit 32 Frauen und 122 Männer die Berufsbezeichnung „Fachanwalt/Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht“ (Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer, Stand: 01.01.2011). Diesen vergeben die Rechtsanwaltskammern, übrigens ebenso wie den Fachanwaltstitel für Informationstechnologierecht (244 am 01.01.2011), erst seit gut fünf Jahren. Ein Jahr davor war in 2005 der „Fachanwalt/Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz“ (652 am 01.01.2011) aktiviert worden.

Generell erfreuen sich die Fachanwaltstitel steigender Beliebtheit. Sie schaffen eine Möglichkeit der Differenzierung auf einem beruflichen Rechtsberatungsmarkt, der sich allein in den letzten 15 Jahren auf nunmehr über 155.000 zugelassene Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer, Stand 01.01.2011) verdoppelt hat. An die herausgehobene anwaltliche Berufsbezeichnung knüpft die Fachanwaltsordnung besondere Qualifikationsmerkmale. Theoretische Fachkenntnisse werden vor allem in einem Lehrgang vermittelt und überprüft, zudem müssen Anwärterinnen und Anwärter in drei Jahren mindestens 80 Rechtsfälle aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts „persönlich und weisungsfrei“ bearbeitet haben.

Das Curriculum der Fachanwaltsordnung für das Urheber- und Medienrecht ist in vorliegendem „Handbuch des Fachanwalts“ nachempfunden. Eine weitere Auffächerung führt in anwaltliche Schwerpunktbranchen der Kulturindustrie, etwa mit den Kapiteln zum Film- und Musikrecht, zum Recht der Kulturveranstaltungen oder zu Unternehmenstransaktionen im Medienbereich. Die ersten Einschätzungen zur vor wenigen Tagen in Kraft getretenen Reform der Insolvenzordnung belegen, dass die Wirksamkeit von Lizenzverträgen im Insolvenzfall ein bedeutsamer wirtschaftlicher Faktor ist. Dem „Urheberrecht in der Insolvenz“ widmet sich das vorletzte von insgesamt 21 Kapiteln.   

Den Überbau liefern auf nur 25 Seiten zwei herausragende Professoren. Rolf Schwartmann (Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht) fiel zuletzt unter anderem als Sachverständiger besonders für Medienverfassungsrecht auf in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestags. Sein zentraler Befund zur Querschnittsmaterie Medien- und Internetrecht:

„Auch in Bezug auf die rechtlichen Wertungen, sind die Besonderheiten des Netzes zu überprüfen. Die derzeitige Erfassung und Bewertung von Handlungen in der virtuellen Welt basiert auf den Wahrnehmungen der analogen Welt und legt dasselbe Unrechtsbewusstsein oder -verständnis zugrunde.“ (S. 12 f., Rz. 40)

Der Forderung nach einer eigenen Rechtsordnung für das Internetrecht, sozusagen ein Netzgesetzbuch, steht Schwartmann skeptisch gegenüber. Mit Blick auf das herannahende Leistungsschutzrecht für Presseverleger fordert der Professor der Kölner Fachhochschule jedoch neue rechtliche Grundlagen, damit Medienunternehmen moderne Geschäftsmodelle für das Internet entwickeln können.

Eine weitere Standortbestimmung des Medienrechts liefert Karl-Nikolaus Peifer (Direktor des Instituts für Medienrecht und Kommunikationsrecht an der Universität Köln). Seine Beobachtung zu einem auf freien Zugang setzenden Informationsrecht ist knapp, aber im Ergebnis für die derzeitige urheberrechtliche Beratung von Wissenschaft und Bildung immer noch richtig: Demnach sind

„viele von Wissenschaftlern produzierte Inhalte bereits in Lizenzsysteme eingebunden (…), insbesondere wenn die produzierten Inhalte bereits einem Verlag angeboten wurden. (…) Entscheidend wird hier mithin eine Verhandlung mit dem Verlag, der die ausschließlichen Nutzungsrechte besitzt.“ (S. 19, Rz. 13)

Zumindest eine Teilöffnung ist hinsichtlich Peifers These anzubringen, dass Verwertungsgesellschaften die Open Content-Modelle aufgrund ihrer Satzungsziele nicht unterstützen würden. Ihre insofern ablehnende Position erneuerte zwar vor kurzem die GEMA (hier zum Statement der GEMA vom 23.01.2012 als pdf-Dokument). Die Bezugsbedingungen der VG Wort hingegen gestatten es, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Publikationen zur Vergütungsausschüttung anmelden und zugleich unter eine „freie“ Lizenz, etwa der Creative Commons, stellen können (siehe dazu das Gutachten von Prof. Axel Metzger in der IUWIS-Broschüre „Zur urheberrechtlichen Gestaltung von Repositorien“, Berlin 2011, S. 24 und 61 f., kostenfrei hier als pdf-Dokument abrufbar).

In einem anwaltlichen Handbuch dürfen Formulierungsmuster nicht fehlen. Beispielsweise bezüglich Fotografien erscheinen die Praxisempfehlungen (S. 85 ff., Rz. 273, 292) und Formulierungsbeispiele (Rz. 290, 297) präzise geglückt. Als wohltuend differenziert erweist sich auch die Richtungsvorgabe für die Auslegung der Schrankenregelungen im deutschen Urheberrechtsgesetz. Dem bisweilen immer noch wabernden Dogma, Schranken müssten immer eng ausgelegt werden, tritt das Handbuch entgegen: Tatsächlich könnte die (vor allem neuere) BGH-Rechtsprechung vielleicht sogar als „ein Einfallstor für einzelfallorientierte Interessenabwägung“ (S. 188, Rz. 709) im Rahmen der entsprechenden Schrankenregelung gedeutet werden. Um die Darstellung der Urheberrechtsvorschrift der Öffentlichen Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung (§ 52a UrhG; S. 210 ff., Rz. 805 ff.) abzurunden, wäre – neben dem angeführten „Interesse der Informationsfreiheit“ – auch ein Hinweis auf die grundgesetzlich geschützte Wissenschaftsfreiheit naheliegend gewesen. Wahrscheinlich einem redaktionellen Versehen geschuldet ist die irrig um ein Jahr bis Ende 2013 verschobene Befristungsangabe der Gesetzesbestimmung (S. 212, Rz. 813): Tatsächlich ist § 52a UrhG gemäß § 137k UrhG bis zum 31.12.2012 befristet. Nachvollziehbar für die Akteure in Wissenschaft und Informationsvermittlungseinrichtungen erweist sich im Folgenden die Kritik an der ersten instanzgerichtlichen Entscheidung zu § 52b UrhG (S. 215 f., Rz. 829), welche die Nachnutzungsbefugnisse an digitalisierten Bibliotheksbeständen teils über den Gesetzeswortlaut hinaus einschränkt.

Eine zentrale Etappe auf dem Weg zur Fachfrau bzw. zum Fachmann für das Urheberrecht kann das Verlagswesen sein. Die fachjuristische Erläuterung haben Rainer Dresen und Anne Nina Schmid übernommen, beide aus dem Justiziariat der Bertelsmann-Verlagsgruppe Random House. Nach der lehrbuchartigen Beschreibung von Vertragsgegenstand und -parteien trägt insbesondere die Typologie typischer Vertragsarten (S. 480 ff., Rz. 356 ff.) zu einer fachkundigen Einordnung und Auswahl der branchenüblichen Vereinbarungen bei. Auch die abschließende „Vertragsgestaltung in der Praxis“ (S. 493 ff., Rz. 435 ff.) sowie die dreiseitige „Checkliste für Verlagsverträge“ (S. 507 ff., Rz. 513) dürften Anregungen für die eigenen fachanwaltlichen Vertrags- und Beratungsstandards liefern und, dem Vorwort der Herausgeber Josef Limper und Christian Musiol folgend, die tägliche Arbeit erleichtern.

Die meisten der Autorinnen und Autoren sind selbst anwaltlich in den Zielbranchen des Urheber- und Medienrechts tätig. Sie transportieren die fachjuristischen Anforderungen, bereiten auf die Weiterbildung zum Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht vor und können mit dem vorliegenden Handbuch helfen, die fachanwaltliche Beratungsqualität abzusichern.