Uwe Jochum und Open-Access-Stereotypen, in der FAZ vom 06.04.

"Im Debattenalltag werden dabei innerhalb und außerhalb des Bundestages mit schöner Regelmäßigkeit Argumente recycelt, die längst zu Stereotypen erstarrt sind und also gar keine sachhaltige Basis mehr haben, sondern nur noch manifeste Vorurteile umschlagen. Es lohnt sich, diese Stereotypen einmal durchzugehen."

Uwe Jochum erhält dafür morgen ein weiteres Mal zwei Spalten im Teil "Forschung und Lehre" der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Stereotypen des Open Access, Ausgabe vom 06.04.2011, S. N5. leider bisher nicht online.) und bleibt der weitgehend bekannten Argumentationslinie treu. Aus Anlass der Bundestagsdebatte zum Zweitveröffentlichungsrecht für Wissenschaftler erläutert er in sieben Schritten,

1. warum deutsche Wissenschaftler kein Open Access wollen,

2. warum Open Access durch die Verlagerung von der Finanzierung durch Bibliotheken zur Vorfinanzierung durch die Wissenschaft das teurere Publikationsmodell ist,

3. wieso Open Access-Zeitschriften nicht sämtliche Probleme kommerziellen Publizierens in der Wissenschaft lösen,

4. warum ein Zweitveröffentlichungsrecht das Ende des mittelständischen Wissenschaftsverlagswesens in Deutschland bedeutet und zugleich die Monopolposition der internationlen Großverlage absichert,

5. warum Open Access die Sichtbarkeit von Wissenschaft verringert,

6. dass der Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion die besonderen Bedingungen des Mediums Wissenschaftsmonographie nicht berücksichtigt und schließlich

7. was Open Access wirklich bedeutet:

"Es geht bei Open Access also nicht darum, etwas zu ermöglichen, was bislang unmöglich war, sondern darum, die Wissenschaft in neue mediale Bahnen zu lenken, von denen man meint, sie seien friktionsfreier als die bisherigen. Das ist natürlich Unfug. Denn jedes Medium hat neben Vorteilen auch Nachteile, und das gilt erst recht für die digitalen Medien."

Die sieben Gegenthesen zu den sieben freilich als Prämisse etwas zugespitzten und in der Quelle nicht immer genau adressierten Ausgangsaussagen sind sicher eine gute Vorstrukturierung für die zu erwartenden Repliken. Schade ist in der Tat, dass sich Uwe Jochum pauschal auf (vermeintliche) Stereotypen beruft, denn damit setzt er sich der Gefahr aus, dass der Eindruck entsteht, er hätte sich den Ball dort, wo es passt, selbst vorgelegt. Aus einer Zuspitzung wird so schnell eine Überspitzung auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Dennoch ist zunächst einmal begrüßenswert, dass die Diskussion zum Thema Wissenschaftsurheberrecht immer öfter prominent in deutschen Leitmedien Niederschlag findet. Die letzte zitierte Aussage - Vor- und Nachteile [und damit die besonderen Eigenschaften] digitaler Medien für bestimmte Anwendungskontexte - benennt übrigens genau das Thema, das den dritten Korb begleiten sollte. Man sollte diese Debatte aber möglichst wissenschaftlich und damit gerade vorurteilsfrei und ergebnisoffen führen. Und daher weniger auf Stereotypen herumpochen.

Eine ausführlichere Auseinandersetzung Uwe Jochums mit dem Thema Open Access gibt es in der LIBREAS-Ausgabe 15: Der Souverän. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Form dieser Art von Diskursführung in der Ausgabe der Zeitschrift  Bibliothek - Forschung und Praxis Juli 2010: Unordnung des Diskurses.

Mehr zur aktuellen urheberrechtspolitischen Debatte zum Zweitveröffentlichungsrecht findet sich in diesem IUWIS-Dossier: § 38 UrhG / Zweitveröffentlichungsrecht