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Frage 16: Kosten von Open Access-Modellen
Ist Open Access das teurere Publikationsmodell?
Nein. Auch hier gibt es internationale Studien, die dieser Frage nachgegangen sind. [1] Demnach ist Open Access volkswirtschaftlich betrachtet nicht teurer als das derzeit vorherrschende Lizenz- bzw. Printvertriebsmodell. Volkswirtschaftlich dürfte der freie Zugang zu aktuellen Forschungsergebnissen – in Europa und weltweit – sogar einen Mehrwert erbringen, der die Kosten weit übersteigt. [2]
Ausgehend von der Feststellung, dass jede Publikation (Print- wie Online-Version) mit Kosten verbunden ist, soll Open Access vorwiegend durch eine Kostenverlagerung – Publikations- statt Subskriptionsgebühren – realisiert werden. Aus der angestrebten Umstellung lässt sich keine Legitimation für eine verlagsseitige Kostensteigerung ableiten, weil keine wesentlichen neuen Dienstleitungen erbracht werden. Da bei den einzelnen wissenschaftlichen Organisationen das Verhältnis zwischen „Lesern/Leserinnen“ und „Autoren/Autorinnen“ unterschiedlich ist, ergäbe die Umstellung trotz gesamter Kostenneutralität für die einzelnen Organisationen je nach Anteil von „Autoren/Autorinnen“ Mehr- oder Minderbelastungen. Hohe Publikationsintensität bedingt hohe Publikationskosten, demgegenüber hätten weniger forschungsintensive Universitäten und Institutionen in einem Open-Access-System geringere Kosten zu tragen.
Die These von Jochum, eine vollständige Umstellung auf Open-Access-Publizieren, verursache in Deutschland Kosten in Höhe von einer Milliarde Euro [3] ist von Brintzinger überzeugend widerlegt worden: [4]
„(Jochum).. geht davon aus, dass jeder der 175.000 in der Deutschen Bildungsstatistik aufgeführten Wissenschaftler drei Aufsätze publiziere, für die jeweils Publikationskosten in Höhe von durchschnittlich 1.800 EUR aufzubringen seien. Die von Jochum zugrunde gelegte Publikationsmenge ergäbe eine Anzahl von 525.000 Aufsätzen. Bezieht man diese Zahl auf ein Jahr, so müssten alleine deutsche Wissenschaftler jährlich den Inhalt von mehr als 5.000 Zeitschriftentiteln füllen. Es ist ganz offensichtlich, dass diese Zahl weit über dem liegt, was die Gesamtheit aller deutschen Wissenschaftler jedenfalls in anerkannten wissenschaftlichen Zeitschriften publizieren kann. Zudem sind die zugrunde gelegten Publikationskosten recht willkürlich gewählt, so betragen die Publikationskosten bei BioMedCentral nur die Hälfte der veranschlagten 1.800 EUR, in den meisten institutionellen oder fachlichen Repositorien ist die Veröffentlichung für den Autor weitgehend kostenlos.
Solche Zahlenspiele sind also nicht tragfähig. Dennoch lohnt es sich, einmal eine grobe Gegenrechnung aufzumachen. Nach der Deutschen Bibliotheksstatistik haben die wissenschaftlichen Universalbibliotheken Deutschlands 2008 mehr als 85 Mio. EUR nur für den Bezug herkömmlicher wissenschaftlicher Zeitschriften sowie rund 35 Mio. EUR für elektronische, subskriptionspflichtige Zeitschriften ausgegeben, die Ausgaben der Spezial- und Institutsbibliotheken sind darin noch nicht enthalten. Insgesamt dürfte also der Bezug wissenschaftlicher Zeitschriften die öffentliche Hand deutlich über 150 Mio. EUR jährlich kosten. Selbst wenn man die Kosten für eine Open-Access-Publikation mit durchschnittlich 1.000 EUR veranschlagt – was den Kosten bei BioMedCentral in etwa entspricht –, so ließen sich für diese Summe mindestens 150.000 Aufsätze jährlich unter Open-Access-Bedingungen veröffentlichen.“
[1] Vgl z. B. die britischen Studien des Research Information Network. Besonders zu nennen ist hier die Studie "Activities, costs and funding flows in the scholarly communications system".
[2] Schiewer, Hans-Jochen (2011): Es wird Zeit, alle alles lesen zu lassen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.6.2011. S. N7.
[3] Jochum, Uwe (2009): Was "Open Access" kostet. Eine Bitte an den Steuerzahler, genau hinzuschauen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.6.2009. S. N5.
[4] Brintzinger, Klaus-Rainer (2010): Piraterie oder Allmende der Wissenschaften? Zum Streit um Open Access und der Rolle von Wissenschaft, Bibliotheken und Markt bei der Verbreitung von Forschungsergebnissen. In: Leviathan 38 (2010) S. 331-346, hier S. 339.
QUELLE: Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen: "Frequently asked Questions zu Open Access und Zweitveröffentlichungsrecht (FAQ)" [pdf], lizenziert unter Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland (CC-BY)
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COST/BENEFIT RATIO OF MANDATING GREEN OPEN ACCESS
Harnad, S. (2010) The Immediate Practical Implication of the Houghton Report: Provide Green Open Access Now. Prometheus 28 (1): 55-59.
ABSTRACT: Among the many important implications of Houghton et al’s (2009) timely and illuminating JISC analysis of the costs and benefits of providing free online access (“Open Access,” OA) to peer-reviewed scholarly and scientific journal articles one stands out as particularly compelling: It would yield a forty-fold benefit/cost ratio if the world’s peer-reviewed research were all self-archived by its authors so as to make it OA. There are many assumptions and estimates underlying Houghton et al’s modelling and analyses, but they are for the most part very reasonable and even conservative. This makes their strongest practical implication particularly striking: The 40-fold benefit/cost ratio of providing Green OA is an order of magnitude greater than all the other potential combinations of alternatives to the status quo analyzed and compared by Houghton et al. This outcome is all the more significant in light of the fact that self-archiving already rests entirely in the hands of the research community (researchers, their institutions and their funders), whereas OA publishing depends on the publishing community. Perhaps most remarkable is the fact that this outcome emerged from studies that approached the problem primarily from the standpoint of the economics of publication rather than the economics of research.
Harnad, S. (2011) Gold Open Access Publishing Must Not Be Allowed to Retard the Progress of Green Open Access Self-Archiving. Logos 21 (3-4): 86-93.
ABSTRACT: Universal Open Access (OA) is fully within the reach of the global research community: Research institutions and funders need merely mandate (green) OA self-archiving of the final, refereed drafts of all journal articles immediately upon acceptance for publication. The money to pay for gold OA publishing will only become available if universal green OA eventually makes subscriptions unsustainable. Paying for gold OA pre-emptively today, without first having mandated green OA not only squanders scarce money, but it delays the attainment of universal OA.